Hiergegen können sich Pflegeeltern gerichtlich zur Wehr setzen und einen Antrag auf Verbleib stellen, wenn sie in dem Rückführungsgedanken eine Kindeswohlgefährdung erkennen (§ 1632 Abs. 4 BGB).
Eine Gefährdung kann einerseits eine tatsächlich weiter bestehende Erziehungsunfähigkeit der leiblichen Eltern sein, sie kann aber andererseits auch alleine in der Situation bestehen, dass das Pflegekind in der Pflegefamilie seine Bezugswelt gefunden und mittlerweile dort verwurzelt ist.
Entscheidend für den Ausgang eines Verbleibensantrages ist also die Frage, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen einem Pflegekind überhaupt ein Abbruch der in der Pflegefamilie eingegangenen Bindungen zumutbar ist. Hierbei handelt es sich nicht um eine rechtliche sondern um eine psychologische Fragestellung.
Um darüber zu entscheiden, fehlt dem Gericht (aufgrund seiner rein juristischen Ausrichtung) die eigene Sachkunde. Es wird daher vor seiner Entscheidung ein kinderpsychologisches Sachverständigengutachten einholen.
Der Gutachter hat sich mit zwei Fragestellungen auseinander zu setzen:
1. Sind die leiblichen Eltern überhaupt erziehungsfähig?
Eine "gerade noch" oder "durchschnittliche" Erziehungsfähigkeit darf hierbei nicht als ausreichend angesehen werden. Vielmehr müssten leibliche Eltern über eine überdurchschnittliche Erziehungsfähigkeit verfügen, um im Falle einer Rückführung das Kind angemessen und einfühlsam zu begleiten und somit negative Folgen einer möglichen Traumatisierung (durch die Trennung von den Bezugspersonen) gering zu halten.
2. Wie ist die Qualität der Bindungen des Kindes an die Pflegeeltern zu bewerten? Hier hat der Sachverständige zu prüfen, ob ein Verlust dieser Bindungen überhaupt vertretbar ist oder ob bereits die Trennung von der Pflegefamilie so schwere und nachhaltige Schäden für das Kind zu erwarten sind, dass dies eine deutliche Kindeswohlgefährdung bedeutet.
Kommt das Gutachten zur Entscheidung, dass die Eltern zwar (wieder) erziehungsfähig sind, aber durch eine Trennung von der Pflegefamilie schwere Schäden für das Kind zu erwarten sind, hat es den Verbleib in der Pflegefamilie anzuordnen. Hier ist das Kindeswohl über die Interessen der leiblichen Eltern zu setzen. Dies gilt auch, wenn sich im nachhinein herausstellt, dass die Gründe für eine Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie gar nicht gegeben waren (also die Eltern zu keinem Zeitpunkt erziehungsunfähig waren).
Es gibt keinen gesetzlich vorgeschriebenen Zeitrahmen, nach dem eine Verbleibensanordnung zum Wohle des Kindes geboten ist. Orientiert am kindlichen Zeitbegriff liegen jedoch wissenschaftliche Empfehlungen vor, nach welchem Zeitraum ein Kind so weitgehende Bindungen eingegangen hat, dass eine Trennung nicht mehr vertretbar erscheint. Bei Kindern, die bei der Unterbringung noch keine drei Jahre alt war, wird dabei ein Zeitraum von maximal zwölf Monaten, bei Kindern, die zum Zeitpunkt der Unterbringung zwischen drei und sechs Jahren alt waren, von maximal vierundzwanzig Monaten angesetzt. (vgl. Schwab und Zenz im Gutachten zum 54. Deutschen Juristentag) .
Insgesamt gilt es jedoch, individuelle Faktoren zu betrachten und in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Hierzu zählen:
- Alter des Kindes bei seiner Inpflegegabe
- Dauer der Unterbringung in der Pflegefamilie
- Vorgeschichte des Kindes
- Häufigkeit und Verlauf der Umgangskontakte zu den leiblichen Eltern
- Bindungen innerhalb der Pflegefamilie
Gem. § 50 Abs. 2 Nr. 3 FGG hat das Gericht im Verbleibensverfahren einen Verfahrenspfleger für das Kind zu bestellen. Dieser soll als "Anwalt des Kindes" im Verfahren das Sprachrohr des Kindes sein, so dass dessen Interessen angemessene Berücksichtigung finden.
Hinweise:
Ist Gefahr im Verzuge, kann das Gericht auf Antrag eine eintsweilige Verfügung auf vorläufigen Verbleib anordnen, bis über die Sache endgültig entschieden wird. Hiermit wird zunächst nur der Gefahr begegnet, dass der Inhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechtes durch einen Wechsel des Aufenthaltsortes Fakten schafft, die dem Kindeswohl entgegenlaufen. Durch eine vorläufige Anordnung wird sicher gestellt, dass das Kind für die Übergangszeit des Verfahrens, die besonders durch die Erstellung des Gutachtens geraume Zeit dauern kann, in der Pflegefamilie verbleibt.
Erklärt sich der Inhaber des Aufenthaltbestimmungsrechtes bis zum Abschluss des Verfahrens mit dem Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie einverstanden, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht erforderlich.
Es ist wichtig, dass Pflegeeltern einen Antrag auf Verbleib rechtzeitig stellen.
Erstinstanzlich besteht keine Anwaltspflicht. Es empfielt sich aber häufig, dennoch einen Anwalt hinzuzuziehen.
Beschwerdeinstanz ist das Oberlandesgericht. Hier ist eine anwaltliche Vertretung erforderlich.
Pflegeeltern sollten bei der Wahl ihres Anwaltes darauf achten, dass er auf das Pflegekinderwesen spezialisiert ist.
Bezüglich des Sachverständigengutachtens sollte unbedingt darauf geachtet und so weit wie möglich Einfluss genommen werden, dass der entsprechende Gutachter über Kenntnisse und Erfahrungen auch im Bereich der Bindungsforschung verfügt.
Den Pflegeeltern können im Streit um eine Verbleibensanordnung für das Pflegekind weder Gerichtskosten noch Auslagen auferlegt werden.
Anwaltskosten sind in der Regel von den Pflegeeltern zu übernehmen. Sie werden nicht durch eine evtl. vorhandene Rechtsschutzversicherung abgedeckt.
Pflegeeltern sollten zumindest versuchen, eine Kostenerstattung beim Jugendamt zu beantragen.
Gesetzliche Grundlagen:
§ 1632 Abs. 4 BGB - Verbleibensanordnung bei Familienpflege
§ 50 FGG - Pfleger für das Verfahren
zu der Frage der Gerichtskosten für PE siehe auch folgende Erklärung: